Maria E. Gerlach-Pieroth

Rechtsanwältin und Notarin

Behindertentestament

Im Zuge der individuellen Testamentsgestaltung bin ich in den letzten Jahren immer häufiger von Eltern psychisch kranker bzw. behinderter Kinder, also auch erheblich körperbehinderter Kinder angesprochen worden, insoweit behilflich zu sein. So habe ich gezielt Seminare und Fortbildungen besucht und mich mit dem Thema "Vererben zu Gunsten behinderter Menschen" befasst. Im Laufe der Zeit konnten für die Betroffenen etliche individuell abgestimmte Regelungen und ganz konkret erbrechtliche Gestaltungen getroffen werden.

Für Eltern kranker Kinder gelten bei der Abfassung eines Testaments besondere Regelungen. Das behinderte Kind soll neben seinen Geschwistern am Nachlass der Eltern beteiligt werden. Außerdem soll es aus dem Ererbten auch einen persönlichen Vorteil ziehen. Die Eltern wollen daher meist dem behinderten Kind aus dem Nachlass etwas zukommen lassen, auf das der Sozialhilfeträger keinen Einfluss hat.

Regeln die Eltern in dieser Situation gar nichts, dann tritt die gesetzliche Erbfolge ein, was bedeutet, dass auch das behinderte Kind Erbe wird. Das Kind muss das ererbte Vermögen dann bis auf einen geringen Freibetrag vollständig verwerten, ehe es Leistungen der Sozialhilfe bekommen kann. Das führt dazu, dass der Erbteil für den Lebensunterhalt des Kindes verbraucht wird, ohne dass es zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensumstände kommt. Diese sozialhilferechtliche Konsequenz ist für die Eltern eines behinderten Kindes unbefriedigend. Daher kommt es zu der erbrechtlichen Gestaltung, bei der der Vermögensstand des Familienvermögens erhalten bleibt und gleichzeitig Zuwendungen an das behinderte Kind erfolgen, die nicht dem Sozialhilfezugriff unterliegen.

Verfassen die Eltern eines behinderten Kindes ein gemeinschaftliches Testament, geht es ihnen meist um die Absicherung des Überlebenden von ihnen, während die Kinder erst nach dem Tod beider Eltern bedacht werden sollen. Setzen sich die Eltern aber zunächst gegenseitig zu Alleinerben ein, sind die Kinder auf den Tod des ersten Elternteils von der Erbfolge ausgeschlossen. Ihnen steht dann der gesetzliche Pflichtteil zu, also die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Bei Eheleuten mit zwei Kindern beträgt die Pflichtteilsquote jedes Kindes auf den Tod des ersten Teils grundsätzlich 1/8, d. h. jedes Kind kann von dem überlebenden Elternteil 1/8 des Nachlasswerts als Pflichtteil verlangen.

Problematisch ist, wenn das behinderte Kind beim Tod des ersten Elternteils schon Sozialhilfe bezieht, dass der Sozialhilfeträger diesen Pflichtteilsanspruch (Geldanspruch) auf sich überleiten und durchsetzen kann. Eltern eines behinderten Kindes sollten daher ein sogenanntes Behindertentestament errichten, in dem das behinderte Kind üblicherweise als Vorerbe eingesetzt wird. Daneben wird Testamentsvollstreckung für den auf das behinderte Kind entfallenden Erbteil angeordnet. Der Testamentsvollstrecker hat für den angemessenen Unterhalt des Erben, also des behinderten Kindes, zu sorgen, soweit der Unterhalt aus den Einkünften des Nachlasses geleistet werden kann. Anspruch auf Sozialhilfezahlungen und das Stammvermögen der Familie bleiben dadurch erhalten.

Daneben empfehlen sich weitere Regelungen, beispielsweise für den Fall des Versterbens des behinderten Kindes. Eltern sollten bei der Abfassung des Testaments auf jeden Fall die Hilfe von im Behinderten- und Sozialhilferecht sowie auch im Erbrecht fachkundigen und erfahrenen Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin in Anspruch nehmen. Das Behindertentestament muss an der individuellen Lebenssituation der Familie ausgerichtet werden. Es gibt insoweit kein Testament "von der Stange". Wir beraten Sie fachkundig und kompetent.

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